Sonntags wird es laut in der Eifel

Den Slogan „Erlebnisregion Eifel“ verstehen Motorrad- und Autofahrer immer wieder falsch.
Sonntags wird es laut in der Eifel
Mit einer großangelegten Verkehrsüberwachung kämpft die Polizei im Kreis Euskirchen an einem Rennsport-Wochenende gegen Raser und Tuner auf zwei und vier Rädern.
Streife-Redaktion

Dunkle Wälder, saubere Luft und wilde Bäche ziehen Urlauber in Scharen in die Eifel. Wegen ihrer unberührten Natur gilt sie als Touristenmagnet. Das Wort „Erlebnisregion“ interpretieren einige Besucher jedoch anders. Sie wollen nicht die Landschaft entdecken, sondern sich selbst. Indem sie die Motoren ihrer Fahrzeuge hochjagen. Am letzten Sonntag im August haben das Formel-1-Rennen im belgischen Spa-Francorchamps und die Deutsche Tourenwagen-Masters am Nürburgring Tausende von PS-Enthusiasten in das Mittelgebirge gelockt. Kuriose Typen, manche in Rockerjacken, rollen über den Asphalt und treffen sich an Tankstellen. An diesem strahlend schönen Tag bestimmen Biker das Bild. Es riecht nach Freiheit und Abenteuer. Diesem Treiben im Erholungsparadies schaut die Polizei nicht tatenlos zu. Gegen Rowdys – ob im Auto oder auf dem Motorrad – soll erstmals auf ganz breiter Front vorgegangen werden. Natürlich ohne den anderen den Spaß zu verderben. Die vergleichsweise kleine Kreispolizeibehörde Euskirchen veranstaltet einen Verkehrssicherheitstag, dem sich die umliegenden Kreise angeschlossen haben. Die Euskirchener übernehmen die Koordination zwischen den Dienststellen. Die Vorgaben lauten: Sanktion und Prävention.

Wie gefährlich das Austesten eigener Grenzen speziell für Motorradfahrer sein kann, belegen Statistiken. Getunte Fahrzeuge lassen sich im Straßenverkehr kaum beherrschen. Motorradfahrer werden oft Opfer überhöhter Geschwindigkeit. 67-mal verunglückten sie im vergangenen Jahr allein im Kreis Euskirchen. Zweimal endete ein solcher Unfall tödlich.

Polizeioberrat Wolfgang Eifinger, Leiter der Direktion Verkehr, und Tido Janssen, Chef der Führungsstelle, möchten mit ihrem Team ein weithin hörbares Signal senden. Rasen soll sich in dieser einzigartigen Landschaft nicht mehr lohnen. Belgien und Rheinland-Pfalz sind dabei. Auch die Bundespolizei, die Kripo, die Kollegen der Bereitschaftspolizei, das THW und das Deutsche Rote Kreuz.

„In einem Gebiet von 8.000 Quadratkilometern wird die Szene an 13 Stellen stichprobenartig kontrolliert“, fasst Polizeihauptkommissar Janssen die Aktion zusammen. „Die Verkehrssicherheitsaktion ist staaten-, länder- und behördenübergreifend.“ Es sei ein schönes Gefühl, die volle Rückendeckung aller Netzwerkpartner zu besitzen. „Das macht richtig Freude.“

Auf ihrem Terrain agieren die jeweiligen Kreispolizeibehörden der Region in eigener Zuständigkeit. Im 1.249 Quadratkilometer großen Kreis Euskirchen wurden zwei Kontrollen an der B 258 eingerichtet. Mehr als 50 Bedienstete sind im Einsatz.

Ein Kontrollabschnitt liegt zwischen Milzenhäuschen und Blankenheimer Wald. 100 Stundenkilometer dürfen dort gefahren werden. Ein geblitzter Autofahrer wird später mit einer Geschwindigkeit von 167 km/h und ein Motorradfahrer mit 162 km/h gemessen. Das gibt Fahrverbote.

Etliche Kilometer südlich davon liegt der zweite Posten, nicht weit von der rheinland-pfälzischen Landesgrenze entfernt. Hier am Neuhof sind in einer Kehre nur 50 km/h erlaubt. Das Tempo erfassen die Beamten mit einem Lasergerät. Im Mittelpunkt steht aber die technische Überprüfung. „Wir holen gern auch mal auffällige Wagen und Kräder heraus“, erläutert Janssen das Vorgehen.

Ein Großteil der Gemessenen nimmt es mit spätsommerlicher Heiterkeit. Auch Zoe und Sascha. Sie wohnen ganz in der Nähe. Ihr Trike mit aufgespraytem Leopardenfellmuster war zu schnell. Aber nur ein wenig. „Wir wissen, dass hier schon mal die Polizei steht“, wundern sie sich über ihre Unachtsamkeit. Ärgern wollen sie sich nicht. „Das passiert wohl mal“, sagt Zoe. Und spricht lieber über ein schönes Wochenende in einem Baumhaus-Chalet, das gerade hinter ihnen liegt.

Christoph (20) und Fabi (23) werden auf ihren italienischen ApriliaMaschinen gleichfalls herausgewunken. An den Flitzern der beiden gibt es dann nichts zu beanstanden. Sie wollen zum Nürburgring. „Da drehen wir nachher ‘ne Runde“, sagt der Jüngere.

Seine RSV 1000 RR mit Zweizylinder-V-Motor erreicht locker 250 Stundenkilometer. Die ganze Power probiere er niemals auf einer öffentlichen Straße aus, beteuert er. „Ich bin doch nicht lebensmüde.“ Der Gegenverkehr zwinge schon zu Vorsicht und Bedachtsamkeit. „Nur auf einer reinen Rennstrecke kannst du ans Limit gehen.“

Dennoch haben die Jungs aus Brühl keine Eile und plaudern angeregt mit Polizeihauptkommissarin Anke Weber. Die 52-Jährige kümmert sich bei der Euskirchener Verkehrsdirektion um Prävention. Im lässigen, aber bestimmten Berliner Ton und mit viel Herz erklärt sie, was es zu beachten gilt, wenn man wieder heil zu Hause ankommen möchte. Wer an einer Schraube drehe, könne schon die Balance seines Fahrzeugs aushebeln, weiß sie.

Anke Weber stammt aus dem Berliner Osten und hatte die DDR 1989 kurz vor der Wende verlassen. Sie heuerte wenig später im Rheinland bei der Polizei an. Für Motorradfahrer hat sie grundsätzlich Verständnis: „Ich selbst cruise ja auch mit einem gemütlichen BMW-Tourer durch die Gegend.“ Auch ihre beiden Töchter sind Bikerinnen. Sie selbst sei nicht mehr ganz so leidenschaftlich bei der Sache wie früher, bekennt sie. „Als Beauftragte für den Opferschutz habe ich zu viel Unglück gesehen.“

Die Polizeihauptkommissarin berichtet Christoph und Fabi von einem schweren Unfall vor wenigen Wochen. Da habe jemand seine Maschine nicht mehr halten können und sich in der Kurve auch noch aufgerichtet. „Da war dann gar nichts mehr auszubügeln“, schildert sie den Unfallhergang. Der Mann wurde mit dem Hubschrauber abtransportiert. „Schrecklich.“

Die beiden Biker hören der Polizistin aufmerksam zu. Und bedanken sich schließlich, so freundlich behandelt worden zu sein. „Das haben wir schon ganz anders erlebt“, bemerkt Fabi. Dann packen sie ein paar der angebotenen Infobroschüren ein und fahren weiter.

Cruiser Wilhelm gehört auf dem Parkplatz eher zu den stillen Genießern. Der Hesse sitzt zufrieden auf seiner rabenschwarzen Harley Davidson Street Gilde. Den Chopper hat er gerade erst gekauft.

Die Aktion findet der 64-Jährige aus Bad Soden „super“. Er kommt gerade aus Maastricht in den Niederlanden und möchte nun nach Hause. Auch bei ihm war alles okay. „Es ist richtig, dass die Polizei auf das Einhalten der Regeln achtet“, meint er. „Es passiert einfach zu viel auf unseren Straßen.“

Hinzu kommt der Lärm, der samstags und sonntags über die Eifeler hereinbricht. Der Polizeihauptkommissar begleitet die Sicherstellung der Fahrzeuge, die bei der Überprüfung technischer Veränderungen aufgefallen sind.

Vor drei Jahren hat der Kreis Euskirchen in Kooperation mit der Polizeibehörde einen dezibelorientierten Bußgeldkatalog erlassen, um die Lage in den Griff zu kriegen. Diese Gebührentabelle ist einzigartig in Deutschland. Wer seinen Wagen oder sein Krad frisiert, für den oder die kann es nun ausgesprochen teuer werden.

Bei einer vorsätzlichen technischen Manipulation erlischt die Betriebserlaubnis. Das Bußgeld verdoppelt sich von 90 auf 180 Euro. Sollte das Standgeräusch des Fahrzeugs nach Toleranzabzug mehr als 2 dB(A) – das ist die Maßeinheit des Schalldruckpegels – über dem Erlaubten liegen, erhöht sich das Bußgeld um 50 Euro je dB(A). „Da ist man schnell bei mehr als 1.000 Euro“, konstatiert der Erste Polizeihauptkommissar Robert Schmitz.

180 dieser Verfahren hat es seitdem schon in Euskirchen gegeben. 70 Prozent betrafen Pkw-Fahrer, 30 Prozent Biker. Christoph Weber – mit Anke Weber nicht verwandt – arbeitet als Kraftfahrzeugmeister für die hiesige Polizei. Er hat bei den Kontrollen meist schon so ein Gefühl, wenn etwas nicht stimmt. Die Messung bestätigt meist den Verdacht. Nach der Sicherstellung überprüft ein Gutachter das Ergebnis noch einmal mit einem geeichten Gerät, damit die Werte gerichtsfest sind.

Spezialist Weber schlendert an einem Motorrad vorbei und beschreibt den Trick, wie das Fahrzeug verändert wurde. „Hier wurde der Dezibel-Eater entfernt“, sagt er. „Das Entfernen bringt mehr Leistung und mehr Sound. Das ist eigentlich nur für die Rennstrecke gedacht.“ Danach zeigt er auf einen BMW aus Belgien ein paar Meter weiter. „Hier wurde die komplette Abgasanlage durch ein durchgehendes Rohr ersetzt. Dadurch wird der Sound laut und unerträglich.“

Die Bilanz des Tages findet sich später im Pressebericht der Behörde wieder. Insgesamt wurden bei der KPB Euskirchen zwölf Fahrzeuge sichergestellt, weil die erlaubten Schallwerte erheblich überschritten worden sind. Besagter BMW war übrigens mit 101,3 Dezibel der unrühmliche Spitzenreiter. 83 Dezibel wären erlaubt gewesen. Ein Bußgeld von 1.300 Euro ist für den Fahrer fällig. Hinzu kommen Kosten für das Abschleppen, den Gutachter und den Heimweg, der mühsam organisiert werden muss.

Allein an der Kontrollstelle Neuhof sind außerdem 134 Fahrzeuge zu schnell gewesen. Extrem unangenehm fiel ein 36-Jähriger aus Neuwied auf. Er musste ins Röhrchen pusten und hatte zwei Promille Alkohol im Blut. Griffbereit lagen in seinem Auto eine Schreckschusswaffe, ein Einhandmesser und ein Baseballschläger.

Wolfgang Eifinger zieht zum Abschluss des Verkehrssicherheitstags ein sehr positives Fazit. „Die Situation bei uns ist nach wie vor angespannt. Aber alle Institutionen ziehen an einem Strang. Wir von der Polizei erhöhen den Kontrolldruck und erzielen damit eine erhebliche Wirkung“, so der Direktionsleiter.

Vorbeugeexpertin Anke Weber hebt noch einen zweiten Aspekt hervor. „Wir gehen im Kreis mit den Menschen anständig um und falten sie nicht zusammen. Das hat sich wieder einmal bewährt.“

In dringenden Fällen: Polizeinotruf 110